Trauma und Weißglut
- Klaus-Michael Jetter
- 15. März 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Feb.

Heute war es wieder mal so weit. Ich habe "Shivo", meinen Hund, ein paar Mal direkt hintereinander mit Nachdruck aufgefordert weiterzugehen.
Er blieb immer wieder stehen, um sich umzuschauen. Da, wo wir waren, gab es nicht viel zu sehen und ich hatte es eilig. Irgendwann "platzte mir der Kragen". Ich schrie ihn an: "Shivo, los, geh weiter!" und zeigte vehement mit meinem Finger in die Richtung, wohin er sich bewegen sollte.
Er war vollkommen erschrocken, wie ich plötzlich so laut werden konnte. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen.
Hinterher habe ich mich gefragt, warum ich so wütend wurde.

Vor zwei Wochen hat die Mutter meines Sohnes mir zu meinem 70. Geburtstag eine Gratulationskarte gesandt, in welcher sinngemäß stand, dass ich nicht nur für mich, sondern auch für sie und unseren Sohn mehr Mitgefühl haben sollte.
Nach einer Woche war mir so schlecht vor Wut, dass ich ihr einen Brief schreiben musste, in welchem ich ihr deutlich sagte, dass ich das mit dem Mitgefühl anders sehe und sie sich in den 40 Jahren, seit wir uns kennen, nicht verändert hat, während ich mich ständig weiterentwickelt habe.

Ich blockte sie dann auf meinem Festnetz, meinem Handy, in WhatsApp und in meinem Postfach.
Beide Vorfälle haben in mir eine heftige Wut hervorgerufen, welche ich in diesem Ausmaß wahrscheinlich Jahrzehnte in mir mithilfe von Alkohol unterdrückt hatte.
Die Wut auf meine leibliche Mutter und meinen Stiefvater.
Sie haben mich seit meiner frühesten Kindheit nicht ernst genommen.
Meine Mutter kam nicht, als ich als Baby nach ihr schrie, sondern ließ mich so lange schreien, bis ich aufhörte zu schreien.
Mein Stiefvater ließ keine Gelegenheit aus, mich in schlechtem Licht erscheinen zu lassen. Einer seiner Lieblingssätze war: "Wenn Dummheit wehtun würde, müsstest du den ganzen Tag schreien."
Diese und andere Verhaltensweisen haben mich unterschwellig so traumatisiert, dass ich heute noch zu kämpfen habe, nicht auszurasten, wenn ich mich nicht ernst genommen fühle.
Das einzige Mittel gegen das "Nichternstgenommenwerden" ist, Stand heute, für mich, mich selbst ernst zu nehmen. Meine Eltern leben nicht mehr, aber meine Ex-Frau. Bei meiner Blockade ihr gegenüber sollte ich so lange bleiben, bis ich merke, dass sie mich ernst nimmt. Vielleicht legt sich dann mein Trauma Weißglut.
Klaus-Michael Jetter
Comments